
Einer dieser Tage
Es gibt diese Tage, diese Tage, an denen gar nichts stimmig ist. Man hat mehrere Eisen gleichzeitig im Feuer, die vor sich hin schmoren. Auch wenn Eisen eher schmilzt oder verbrennt, fühlt es sich wie ein schmoren an. Wie Projekte, die scharf angebraten wurden, um anschließend in siedender Flüssigkeit still vor sich hin zu garen. Man selbst hat keinen Einfluss mehr auf das weitere Vorankommen, weil man von der Zuarbeit anderer abhängig ist. Das wäre alles nur halb so wild, wenn da nicht diese Antreiber wären. Antreiber sind bestimmte Glaubenssätze, die man in der Kindheit als Absolutheits-Gebot übernimmt. Das können Hoffnungen, Wünsche, Werte, Bedürfnisse sein und auch äußere Belohnungen und Bestrafungen. Die hat übrigens jeder Mensch und man kann sie auch in einem Fragebogen ermitteln. Insgesamt gibt es fünf dieser Antreiber. Da ich zwei in einer starken Ausprägung habe („mach schnell!“ und „sei perfekt!“ beeinflussen sie mich Mal mehr und Mal weniger. An diesen besagten Tagen sind sie besonders aktiv. Während das Eisen im Feuer schmort, werde ich zunehmend von einer Unruhe gepackt. Ich fühle mich wie ein Wolf, der die Zähne fletscht und seine Ohren aufstellt. Ich fühle mich so, als würden meine natürlichen Instinkte auf eine bedrohliche Situation reagieren. Diese innere Wachheit, die wie in dem schnell ausgesprochenen Wort „Achtung!!“ meine Haltung im oberen Brustbereich in Spannung versetzt. Es ist ein bewegtes Gefühl von Rastlosigkeit. Ein starker innerer Antrieb, ich muss mehrfach schnauben. Das Schnauben baut kurzfristig Druck ab, wie ein Ventil, das kurz geöffnet wird, um Druck raus zu lassen.
Vorprogrammierter Konflikt
Ich liebe meine Projekte, sonst würde ich sie nicht machen. Die Zeit, in denen ich hauptsächlich gegen Bezahlung gearbeitet habe, gehört längst der Vergangenheit an — heute arbeite ich aus Leidenschaft. Eine ausgebremste Leidenschaft ‑dieses Empfinden, ausgebremst zu werden- hängt mit meinem Antreiber „mach schnell!“ zusammen. Mir kann es nicht schnell genug gehen und ich bin schnell. Nicht nur schnell, das wäre zu einfach. Nein, ich will dabei auch noch „perfekt“ sein. „Mach schnell!“ und „sei perfekt!“ im Doppelpack stark ausgeprägt, UFF!
Das beeinflusst nicht nur mich, es wirkt sich zudem auf mein Umfeld aus. Nicht immer, jedoch an diesen besagten Tagen. Ihr kennt das bestimmt auch. Man ist mit dem falschen Bein aufgestanden und ist gereizt. Da stehen Konflikte automatisch auf der To-do-Liste. Eigentlich hat man keine andere Wahl, es sei denn, man würde sich mit einer Netflix Serie im Bett vergraben. Letzteres hat sich bei mir bewährt. Irgendwann bin ich so abgelenkt, dass sich meine Gereiztheit von selbst verflüchtigt. Leider geht das nicht immer, dann greife ich auf den Konflikt zurück. Entweder trage ich diesen mit mir aus, indem ich mich meinem Innenleben stelle oder er wird mit anderen ausgetragen, wenn sie gerade in der Nähe sind. Die erste Variante ist mir lieber. Weitaus lieber. Die zweite ist nur kurzweilig befriedigend, kann dafür aber nachhaltig verletzend sein. Zudem ist es meines Erachtens nicht fair, meine Laune unreflektiert an anderen auszulassen.
Yoga und Meditation sind für mich in dem besagten Zustand eine schlechte Wahl. Die Voraussetungen sind nicht die besten. Ein fletschender Wolf geht nicht als herabschauender Hund auf die Matte. Der Wolf ist in dem Fall das Schafspelz. Meinen Wolf habe ich vor mehr als zehn Jahren herausgearbeitet und in mir manifestiert, deswegen ist er für mich greifbar. Das Wissen um meine Antreiber hat mir nicht genügt, weil man sich über Wissen alleine nicht verändert. Was nicht heißt, dass es nicht nützlich ist. Um sich persönlich weiterzuentwickeln, ist das Wissen um die eigenen Antreiber essentiell. Im Folgenden werde ich euch vier Schritte aufzeigen, die euch dabei helfen, eure Antreiber zu erkennen und mit ihnen umzugehen.
1. Antreiber erkennen
Jeder Antreiber wird in bestimmten Situationen aktiviert, da Antreiber vor allem unterstützend wirken. Perfekt und schnell zu sein ist eine gute Kombination, so lange sie im Fluss ist. Schnell allein birgt die Gefahr von Schludrigkeit und hoher Fehlerquelle in sich, weil das Tempo der Taktgeber ist.
Wobei man sich in der Perfektion zeitlich verlieren kann. Einen guten Hinweis auf die Antreiber liefern die Aussagen anderer. Mein Lebenspartner hat beispielsweise mehrfach erwähnt, wie schnell und ausgezeichnet ich kochen kann. Antreiber wirken in allen Lebensbereichen und ja, ich meine damit ausnahmslos alle. Deswegen macht es Sinn, das Beobachtungsfeld einzugrenzen. Am besten eignen sich Stress- und Konfliktsituationen, dann werden sie meistens nachteilig aktiv. Wenn ich früher im Stau stand und einen wichtigen Termin hatte, war ihre Aktivität deutlich spürbar und teilweise auch hörbar – wenn auch nicht hörenswert. Ich wurde in diesen Situationen immer mehr zum Beobachter meines Innenlebens und ließ es einfach zu. In Konfliktsituationen ging es häufig mit mir durch. Es war schwierig, mich im Konflikt bewusst wahrzunehmen, weil meine Aufmerksamkeit im Außen war. Situationen bewusst wahrzunehmen, in denen ich meine volle Aufmerksamkeit ausschließlich bei mir hatte, fielen mir deutlich leichter.
2. Dynamik personifizieren
Es hat eine Zeit gedauert bis ich mein Gefühl in Gänze erfassen konnte. Ein Gefühl zu benennen, ist manchmal nicht einfach. Jede Nuance des Gefühls vom Anfang bis zum Ende zu erfassen, empfand ich zunächst als herausfordernd. Es gibt gerade hinsichtlich des Gefühls viele Möglichkeiten Fragen zu stellen, um die Qualität des Gefühls herauszuarbeiten. Jedes Gefühl ist wie ein chemischer Cocktail mit seiner ureigenen Rezeptur. Diese gibt Aufschluss darüber, ob ein Gefühl statisch oder bewegt ist; eine Farbe oder eine Form hat; wo es entsteht oder sich genau befindet und ob es sich in seiner Intensität verändert; aufbraust und dann schwächer wird oder wie auf einer Leiter, Stufe für Stufe, aufsteigt. Mit jeder Antwort wurde es bewusster und erfahrbarer. Eines Tages hatte ich einen Wolf vor meinem inneren Auge. Das Bild tauchte einfach so auf, ich hätte es auch bewusst auswählen können, wenn ich die Idee davor gehabt hätte. Seitdem bin ich ein Freund von personifizierten oder symbolisierten Gefühlen. Das müssen keine realen Menschen sein, da ist der Fantasie keine Grenze gesetzt. Ich habe in den Jahren schon alles mögliche erlebt, die Palette reicht von Albert Einstein über das Einhorn bis zum Kritiker. Nicht das, was man wählt, hat den Effekt. Die Wirkung ist der Effekt. Durch die Zuordnung aller Details zum Wolf und das wiederholte Erleben des Wolfzustandes ist er greifbar. Es ist ein bewusstes Konditionieren eines Gefühlszustandes, um ihn in der Entstehung zu erkennen. Dadurch wird es fühl- und veränderbar.
3. Seperator entwickeln
Ein Seperator hat die Funktion, automatisierte Kreisläufe zu unterbrechen oder zu durchtrennen. Das bedeutet, wenn ich die ersten Anzeichen erkenne, dass mein Wolf von der Leine will, kann ich diesen Seperator einsetzen. Ein Seperator ist dann wirkungsvoll, wenn viele Sinneskanäle gleichzeitig miteinbezogen werden. Meiner ist ein Polizist, der energisch pfeift. Der Polizist ist in meiner Vorstellung ein Comic Männchen mit einer Schirmmütze und ein Synonym für meinen Freund und Helfer. Der schrille Pfeifton lässt die Nerven in meinem Gehirn gefrieren. Zeitgleich ziehen sich meine Gesichtsmuskeln zusammen, wie bei einem Biss in eine Zitrone. Wenn du dir vorstellst, dass du die Hälfte einer reifen Zitrone in der Hand hältst und genüsslich reinbeißt, dann weißt du, wovon ich spreche. Wenn nicht, dann brauchst du vielleicht noch etwas, um deine Vorstellung anzureichern, damit sie kraftvoll wirkt. Meinen Seperator kann ich sehen, hören und fühlen. Das sind drei Sinneskanäle, die ich empfehle IMMER in einen Seperator einzubauen. Die meisten Menschen haben Sinneskanäle, die sie bevorzugt nutzen und diese drei gehören sozusagen zu den Top-Kandidaten. Man kann noch Geschmack oder Geruch hinzunehmen, wenn man eine Affinität zum Riechen und Schmecken hat. Das muss aber nicht unbedingt sein.
4. Sei dein Coach
Emotional geladene Antreiber-Reaktionen, vor allem die, die als bedrohlich wahrgenommen werden, sind um ein Vielfaches schneller als rationale Vorgänge. Unser emotionales Gehirn sicherte, evolutionsbedingt, das Leben und Überleben. Die Abläufe im emotionalen Gehirn sind nicht bewusst zugänglich und dadurch nicht direkt steuerbar. Wenn sie aktiviert werden, vernetzen sie sich rasant mit anderen Hirnarealen sowie dem gesamten Körper.
Man ist sozusagen fremdgesteuert, die Reaktion erfolgt automatisiert und meist unbewusst. Um das Ruder zu übernehmen, braucht es die drei vorherigen Schritte. Erst muss ich die Auslöser erkennen, dann das eingrenzen bzw. greifbar machen, was ich selbstbestimmt lenken will, und dann die Aktivierung zeitnah unterbrechen, es zu verhindern ist fast unmöglich. Der Seperator stört den gewohnten Ablauf des Antreibermusters und kann dadurch nicht fortgesetzt werden. Erst jetzt kann man sich selbst bewusst führen. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung und weiß, was sich für ihn stimmig anfühlt. Hier gilt die Maxime: Experimentieren, Erlebnisse sammeln. Je mehr man hat, umso mehr Auswahl steht einem zur Verfügung.
Über die Jahre habe ich gelernt, mit meinen Antreibern im Einklang zu leben. Was nicht bedeutet, dass sie nicht nervig sein können. Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft und sind täglich einer Überflutung von Reizen ausgesetzt, da lässt es sich kaum vermeiden, getriggert zu werden. Die Vorstellung von der dauerhaften Glückseligkeit ist eine Wunschvorstellung. Man kann jedoch den Umgang mit solchen Zuständen, wie sie durch Antreiber ausgelöst werden, erlernen. Zusätzlich zu diesem Blogartikel gibt es einen Fragebogen, um deine Antreiber zu ermitteln. Als Bonus gibt es eine Anleitung zur Selbstreflexion und verständlich aufbereitetes Fachwissen.


2 Comments
Elke
Danke. ❤…ich werde es in Ruhe lesen..ich fühle mich davon sehr angesprochen.
Herzliche Grüsse
Amel Lariani
Das freut mich sehr. Danke, für die Rückmeldung.